Am 2. August 2021 werden in Deutschland mit dem neuen Fondsstandortgesetz (FoStoG) für das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) relevante Änderungen in Kraft treten. Der aktuelle Entwurf des Gesetzes sieht unter anderem bei offenen Immobilien-Spezialfonds ein dem Vertrieb vorgelagertes, eigens definiertes Pre-Marketing-Regime vor. Dieses Regime bringt für den Vertrieb von Immobilien-Spezialfonds an professionelle und semiprofessionelle Anleger eine deutliche Verschärfung mit sich. Im Rahmen einer von der Beratungsgesellschaft Real Exchange AG (Reax) veranstalteten Web-Konferenz am 27. April 2021 wurde der Gesetzesentwurf zum FoStoG im Kern vorgestellt und dessen Bedeutung für Anbieter von Immobilien-Spezialfonds gemeinsam mit Vertretern der Service-Kapitalverwaltungsgesellschaften Hansainvest, Intreal und Universal-Investment sowie der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein diskutiert.
Die Neuregelungen betreffen inländische wie ausländische Fondsanteile sowie inländische und ausländische Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen). Die bisherige Praxis, Marktsondierungen zu konkreten Produktideen ohne eine entsprechende Anzeige bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistung (BaFin) durchzuführen wird damit grundsätzlich nicht mehr möglich sein. Der Gesetzentwurf sieht eine Pflicht zur Anzeige über die Aufnahme der Pre-Marketing-Aktivitäten an die BaFin innerhalb von zwei Wochen vor.
Jörn Zurmühlen, Vorstand der Reax: „Bislang hat bei offenen Immobilien-Spezialfonds der Interessensabgleich mit potenziellen Anlegern lange vor der Genehmigung durch die BaFin begonnen. Dies wird mit den Bestimmungen des neuen Entwurfs deutlich stärker reguliert. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes in knapp drei Monaten suchen Service-KVGen und Initiatoren von Immobilien-Spezialfonds nun nach Lösungsmöglichkeiten. Das Ziel: Der Prozess der Anlegeransprache soll vor dem eigentlichen Vertrieb eines Immobilienfonds ohne Unterbrechung fortgeführt werden können.“
Alexander Lehnen, Partner bei Arnecke Sibeth Dabelstein, ergänzt: „Klassische deutsche Asset Manager mit Service-KVG-Struktur sind von dieser Regelung betroffen, da sie – häufig ausgestattet ,nur‘ mit einer Lizenz als Finanzanlagenvermittler nach § 34f GewO – vom Prozess des Pre-Marketings ausgeschlossen sind.“ Künftig wird das Pre-Marketing lediglich regulierten Unternehmen vorbehalten sein. Dies sind abschließend gebundene Vermittler, Wertpapier-Dienstleistungsunternehmen, Kreditinstitute und KVGen. „Als erste Lösungsansätze liegen eine eigene registrierte KVG oder ein Vorgehen als Reverse Solicitation sowie ein Haftungsdach eines CRR-Kreditinstitutes oder Wertpapierhandelsunternehmens nahe. Denkbar wäre auch, dass der Vertrieb nicht im Namen der Service-KVG stattfindet oder lediglich die Bewerbung der eigenen Fähigkeiten ohne Produktbezug durchgeführt wird“, so Lehnen weiter.
KVGen sehen den Gesetzentwurf kritisch. Ludger Wibbeke, Geschäftsführer der Hansainvest, sagt: „Die eigentliche Intention des Gesetzes ist die Stärkung des Fondsstandortes Deutschland und auch teilweise eine Entbürokratisierung von Prozessen. Tatsächlich wurden mit dem definierten Pre-Marketing neue bürokratische Hürden an Stellen aufgebaut, die zuvor für uns keine Defizite darstellten. Als Service-KVG sehen wir uns gezwungen, künftig mit einem Mosaik an möglichen Lösungsansätzen flexibel tätig zu werden. Wie die Praxis nach dem zweiten August aussehen wird, werden wir sehen. Zunächst ist aber die Flexibilität aller Marktteilnehmer gefordert “
Kurt Jovy, Director der Universal-Investment, stimmt Wibbeke zu und ergänzt: „In unserem Masterfonds-Bereich sind wir von dieser Gesetzgebung kaum betroffen, allerdings sehen auch wir wachsende bürokratische Prozesse für unser deutlich wachsendes Fondsinitiatoren-Geschäft als Service-KVG. Mit unserem sehr kompetenten Legal-Team werden wir für unsere Kunden praxisnahe Lösungen erarbeiten. Gleichwohl erhoffen wir uns damit auch eine einher gehende Standardisierung von Vertriebsprozessen.“
Michael Schneider, Geschäftsführer der Intreal, sagt: „Als Service-KVG, die keinen Vertrieb macht, suchen wir gemeinsam mit unseren Fondspartnern nach vielfältigen Lösungsansätzen und sind diesbezüglich mit allen Marktteilnehmern im Gespräch.“ Schneider ergänzt: „Einerseits bedeutet dies, dass wir bei einigen Fonds deutlich früher in den Vertrieb gehen und eine Vertriebsgenehmigung einholen werden. In der Praxis bedeutet dies für die BaFin jedoch einen erhöhten Verwaltungsaufwand, da die Fondskonzeption zu diesem frühen Zeitpunkt häufig nicht final sein wird. Dies könnte zur Folge haben, dass Fondskonzeptionen überarbeitet werden und eine erneute Vertriebsgenehmigung eingeholt werden muss. Bei der Vielzahl an Fondskonzepten, die unsere Fondspartner mit uns jährlich aufsetzen, benötigen wir jedoch auch entsprechend lizenzierte Vertriebspartner für ein Pre-Marketing, mit denen wir verbindliche Verträge schließen werden.“ (DFPA/JF1)
Quelle: Pressemitteilung Reax
Die Real Exchange AG (Reax) wurde im Jahr 2018 gegründet. Die Gesellschaft berät institutionelle Investoren beim Handel von Immobilien-Fondsanteilen auf dem Sekundär- und Primärmarkt. Die Reax hat ihren Sitz in Hamburg.